Aktuelles

Was gibt´s neues?

…. stimmt, die Zeit vergeht wie im Fluge. Auch die (Manual-) Medizin entwickelt sich weiter, neue Erkenntnisse müssen in vorhandene Konzepte eingeordnet werden, manchmal entstehen so neue Ansätze …

Die Schwierigkeit ist nicht, neue Ideen zu finden, sondern den alten zu entkommen.

John Maynard Keynes

Gedanken unserer Ärzte

Solche oder ähnliche Überschriften finden sich vermehrt in Tageszeitungen, in Gesundheitszeitschriften oder Patientenbroschüren. „Kaum geboren und schon geknackst“. So könnte  es auch heißen. Das scheint ein Trend zu sein, der immer mehr um sich „greift – im wahrsten Sinne des Wortes. Natürlich werden wir in unserer Praxis diesbezüglich zu unserer Meinung befragt.

Richtig ist, dass mittlerweile breite Übereinstimmung darüber besteht, dass es in der Gebärmutter und unter der Geburt zu Problemen mit der Halswirbelsäule von Neugeborenen kommen kann. Jedoch benötigt unserer Meinung nach nur ein verschwindend geringer Teil manualmedizinische oder osteopathische Interventionen (weniger als ein Drittel nach den Erfahrungen unserer Arbeitsgruppe). Bei dem deutlich überwiegenden Anteil der betroffenen Kinder kommt es zu spontanen Lösungen funktioneller Störungen durch Lagerung oder durch zunehmende Kopfkontrolle o.ä., so dass sich Probleme häufig schon von selbst erledigen. Manche Probleme entwickeln sich auch durchaus erst später.

Die Neuankömmlinge haben auch das Recht erst einmal „anzukommen“. Auffälligkeiten wie verstärkte Schrei-, Still- und Kolikproblematiken, eine einseitige Abflachung des kindlichen Kopfes durch eine einseitige Blickrichtung mit einer nachhaltigen Überstreckung des Kindes gehören zwingend ärztlich differentialdiagnostisch abgeklärt. Hier ist in erster Linie der Kinderarzt im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen gefragt, um hier ein weiteres Vorgehen zu besprechen und kompetente Tipps und Hinweise zur „Hege und Pflege“ zu geben. Daneben sind hier auch Hebammen und das Pflegepersonal in den ersten Tagen fachlich qualifizierte Begleiter/-innen.

Reihenuntersuchungen von Osteopathen auf geburtshilflichen Stationen schießen meines Erachtens über das Ziel hinaus. Darin besteht unter ärztlichen Chirotherapeuten und Osteopathen, die Kinder manualmedizinisch und entwicklungsneurologisch untersuchen und behandeln, große Einigkeit.

Die manualmedizinische Diagnostik und Behandlung sollte wohl überlegt und sparsam eingesetzt werden, sie taugt nicht für Screening-Reihenuntersuchungen.

M.Wuttke

Osteopathie und Chiropraktik - Stein der Weisen oder doch Handwerk?

Die Suche nach einem universellen Heilmittel ist sicher so alt wie die Menschheit selbst. Schon lange bevor die Alchemisten des Mittelalters mit der Herstellung des berühmten Steins beschäftigt waren, galt die Panazee als mythische Universalmedizin. Namensgeberin war wohl Panakeia (Πανάκεια "alles heilend"), Tochter des Asklepios und seines Zeichens Gott der Heilkunst. Eine Panazee steht im modernen Sprachtum für das illusorische Festhalten an einer Universaltherapie oder einem Allheilmittel.

Selbst die Osteopathie hat - ähnlich wie die Chiropraktik - ihre Ursprünge in der Suche nach dem Unmöglichen. Gestützt von der Philosophie "alles hängt mit allem zusammen" folgte "alles über eines" zu behandeln. So manche Ansicht, "die Osteopathie oder Chiropraktik (auch Manuelle Medizin genannt) sei sehr viel ganzheitlicher als die Schulmedizin", resultiert aus dieser Panazee - als Patient sollte man hellhörig werden. Integriert man jedoch Erkenntnisse und Techniken der Chiropraktik oder Osteopathie in sein herkömmliches medizinisches Repertoire, so ergeben sich durchaus neue Lösungsansätze für altbekannte Fragestellungen. Die Manuelle Medizin hat sich dieser Aufgabe gewidmet, es kommt also nicht auf eine spezielle Technik an, sondern auf ein Grundverständnis.


Sollte mein Kind nun mit osteopathisch oder mit klassisch manuellen Techniken behandelt werden?

Die Mehrzahl der Techniken ist gleich oder ähnlich, dem Kind ist es im Grunde genommen egal, welche Technik zur Anwendung kommt. Viel wichtiger ist, die richtige Diagnose zu stellen, seltene Gesundheitsstörungen im Hinterkopf zu haben und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dafür benötigt man eine fundierte Ausbildung und noch mehr Erfahrung. Die Stellung der richtigen und differenzierten Diagnose ist eine ärztliche Aufgabe. Man kann froh sein, wenn man nicht behandeln muss! Nicht selten sind auch gerade Tipps entscheidend um Interaktionsstörungen aufzulösen.

Ausdruck manchen Missverständnisses ist dann auch das Argument "bei der Osteopathie braucht man kein Röntgenbild ...". Das Röntgenbild ist Teil der Diagnosestellung - letztlich braucht man für das Anlegen eines Gipsverbandes auch kein Röntgenbild, für die Diagnose einer eventuellen Fraktur (die mit einem Gipsverband behandelt werden soll) aber schon. Die radiologische Diagnostik dient also der Absicherung der Diagnose (u.a. auch zum Ausschluss einer Fehlbildung) und der Therapie.

Ähnliches gilt für Aussagen: "Die Osteopathie ist viel sanfter". Kindgerechte Therapiemethoden kommen auch bei der Manuellen Medizin zur Anwendung, entscheidend ist die Hand, die behandelt.

Egal ob mit Osteopathie oder Manueller Medizin behandelt wird - es gibt allgemeine Grundsätze zu beachten:

  • sparsames Behandeln:

es sollten also mindestens vier Wochen zwischen den Behandlungen vergehen, um dem Kind die Möglichkeit zu geben, auf die Behandlung zu reagieren (wir konnten zeigen, dass sich viele Behandlungseffekte erst nach 2-3 Wochen - in Einzelfällen sogar erst nach 5-6 Wochen - einstellen)

  • nicht jeder Befund ist behandlungsbedürftig, entscheidend ist, wie es dem  Kind geht
  • keine osteopathischen oder manuellen Routineuntersuchungen - schon gleich gar nicht auf Neugeborenenstationen (bei vielen jungen Säuglingen hilft sich Mutter Natur selbst, andere Kinder entwickeln ihre Auffälligkeiten erst nach Wochen). Näheres dazu auch im o.a. Artikel „Blockierte Babys lockern
  • der/die Kinderarzt/-ärztin sollte eine erste Anlaufstation sein - er / sie hat viel Erfahrung und kann den besten Weg für das Kind abschätzen
  • keine Serienbehandlung - siehe erster Punkt
  • dem Kind Zeit zur Entwicklung lassen.

Mit etwas Sorge betrachten wir die Praxis einiger Krankenkassen, die Kosten einer Mehrzahl von osteopathischen Behandlungen zu übernehmen. Natürlich ist es gut, wenn die Krankenkassen sich an den Behandlungskosten beteiligen. Eine manuelle Behandlung kann auch durchaus helfen. Umgekehrt wird aber einerseits die meist ärztlich durchgeführte und sehr effektive Manualmedizin dadurch ausgegrenzt, andererseits einer Serienbehandlung Vorschub geleistet. Aufgabe und Ziel ist jedoch, dem Kind mit ein bis zwei Behandlungen (Abstand!) effektiv zu helfen.

Manualtherapie ist wie auch Krankengymnastik oder Osteopathie kein Allheilmittel, bei richtiger Indikation eingesetzt und fachgerecht durchgeführt ergänzt die Handgriffbehandlung das Behandlungsspektrum.

Robby Sacher